Handwerk made in JVA Regensburg
07.07.2025
Ein Artikel der Donau Post vom 1. Juli 2025
Quelle: Michael Bothner/Mediengruppe Attenkofer
Schon beim ersten Rundblick in der geräumigen Werkstatt dürfte manch Hobbyhandwerker große Augen machen. Moderne Werkbänke, professionelle Holzverarbeitungsmaschinen, eine Reinluftabsauganlage. Dutzende kleinere Geräte wie Bohrmaschinen sind feinsäuberlich in Kisten verwahrt. Über all das wacht Charles Digosso-Motte. Er leitet die kürzlich gestartete arbeitstherapeutische Gruppe der Justizvollzugsanstalt (JVA) Regensburg.
Schon 2023 erhielt Digosso-Motte den Auftrag, ein Konzept dafür zu entwickeln. Weil die Bürokratie vor den hohen Mauern der JVA nicht stoppt, konnte der Regensburger JVA-Beamte aber erst seit Beginn dieses Jahres die Arbeit mit den Inhaftierten langsam aufnehmen. Offiziell in Betrieb genommen wurde die Werkstatt an diesem Montag im Beisein von Vertretern der Justiz, Politik und Stadt.
Viel interessanter als die Maschinen und Werkzeuge war für die anwesenden Gäste, was mit all den Sachen hier so entstehen kann. Ein Nistkasten für Vögel, ein Backgammon-Spiel, Deko-Artikel für den Balkon. Oder – etwas spezieller – ein Hochsitz für Jägersleut. Der CSU-Landtagsabgeordnete Patrick Grossmann, selbst Jäger, nahm bald darauf Platz – er war sogar an dessen Entstehung beteiligt.
Ohne Druck, einfach mal kreativ sein
Bevor das am Montag näher ausgeführt wurde, sprach JVA-Leiterin Veronika Retzbach zunächst über das Konzept hinter der neuen Arbeitsgruppe. In einem Gefängnis gehe es um die sichere Verwahrung, klar. Aber auch die Schaffung von Perspektiven und die Resozialisierung nannte Retzbach als Auftrag. „Arbeit strukturiert den Alltag.“ „Arbeit fördert neue Kontakte und die sozialen Kompetenzen“, sagte Retzbach. Arbeit gibt Menschen das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu leisten.
Für manche Personen seien die „normalen“ Arbeitsgruppen wie der Küchendienst aber nicht passend. „Das Essen muss pünktlich mittags fertig sein“, sagt Retzbach unserer Mediengruppe. Zeitdruck könne etwa für Menschen mit psychischen Problemen belastend sein. In der neu geschaffenen arbeitstherapeutischen Gruppe geht es vor allem um die Tätigkeit.
„Wenn das Stück nicht fertig wird, dann machen sie halt beim nächsten Mal weiter“, sagt Charles Digosso-Motte. Er leitet die Gruppe – vorerst alleine und deshalb aktuell auch nur mit vier statt der räumlich möglichen acht Häftlinge. Der Justizbeamte war früher auf Baustellen beschäftigt und bringt daher das nötige Wissen mit. An die großen Maschinen darf auch nur er ran. Bei kleineren gibt es vorher eine Einweisung. Arbeitsschutz gehe vor.

Charles Digosso-Motte leitet die neue arbeitstherapeutische Gruppe in der JVA Regensburg. Fred Gaida, Chef der Arbeitsagentur Regensburg, zeigte er ein Mitbringsel für die Gartenparty: eine Feuerkiste aus altem Holz.
Foto: Michael Bothner
Die Materialien kommen vom Wertstoffhof.
Charles Digosso-Motte freute sich am Montag, die ersten Stücke seiner Schützlinge präsentieren zu dürfen. Die entstandenen Objekte stammen ausnahmslos aus weggeworfenen Sachen. Die JVA hat eine Kooperation mit der Stadt im Rahmen der Zero-Waste-Strategie geschlossen. Laut Charles Digosso-Motte fällt viel Müll an, aus dem aber eigentlich noch einiges zu machen wäre. Es sei sinnlos, ständig neues Holz zu kaufen. Stattdessen fahre er regelmäßig zum Wertstoffhof, um „alten Sachen neues Leben einzuhauchen“. Das sei die Devise. Das sei in der Form aber auch einzigartig im deutschen Strafvollzug.
Einhauchen will der Abteilungsleiter den Gefangenen Mut, sich kreativ auszuprobieren. „Wegwerfen können wir es immer noch, wenn es nichts geworden ist.“ Die Inhaftierten sollen ausprobieren können, frei von Druck. Aber gerne mit konkreten Aufträgen. Grossmann zum Beispiel hatte den Kontakt zum Bayerischen Jagdverband hergestellt. So kam es zu dem Hochsitz, der demnächst übergeben wird. „Einfach bei der JVA anrufen, da werden Sie dann an mich weitergeleitet“, erklärte Digosso-Motte, wie Interessierte an ihn herantreten können. Eine alte Kommode und eine augenscheinlich noch ältere Truhe stehen im Lager bereit. Dem CSU-Landtagsabgeordneten Jürgen Eberwein kam da als Erstes eine Hausbar in den Sinn. Eberwein ist auch Vorsitzender des Anstaltsbeirats. Dadurch verstehe er mittlerweile etwas besser, was tagtäglich in den Haftanstalten geleistet werde, sagte er. Das neue arbeitstherapeutische Angebot stelle ein wichtiges Projekt dar. „Alle profitieren davon“, sagte Eberwein. Die Inhaftierten würden Teamarbeit lernen und langsam an eine geregelte Arbeitsweise herangeführt. Die JVA habe „ausgeglichenere, zufriedenere“ Gefangene. Die Gesellschaft profitiere durch eine möglichst nachhaltige Resozialisierung.


Foto oben: JVA-Leiterin Veronika Retzbach mit dem Vorsitzenden des Anstaltsbeirats Jürgen Eberwein (beide vor dem Hochsitz) sowie Vertretern der Justiz und der Stadt.
Foto links: Zweieinhalb Jahre lagen die Hölzer in der JVA einfach herum, ehe Patrick Grossmann im Hochsitz Platz nahm.
Fotos: Michael Bothner