Das tägliche Brot für 1000 Gefangene
24.06.2025
Quelle: Ruth Schormann/Mediengruppe Attenkofer

Die Bäckerei in der JVA versorgt nicht nur die Straubinger Inhaftierten mit mehrfach prämiertem Backwerk. Ein Besuch zwischen Tätern und Teiglingen.
Es duftet nach frisch gebackenem Brot, über dem Eingang empfängt Besucher das Zunftzeichen der Bäcker. Männer in weißen T-Shirts und karierten Hosen wuseln umher, legen Teiglinge behutsam auf große Bleche und ritzen kleine Schnitte in die Oberfläche. Auf den ersten Blick scheint alles wie in einer gewöhnlichen Bäckerei. Doch Besucher empfangen die elf Mitarbeiter hier selten bis nie, und nach der Arbeit schwingen sie sich nicht aufs Radl, um heimzufahren, sondern werden in ihre Zellen geführt. Und die Brote, die hier gebacken werden, sind nur für eine bestimmte Zielgruppe: ihre Mithäftlinge.
Die JVA-Bäckerei ist einer von fünf Versorgungsbetrieben der Anstalt. Jeden Tag, so ist es sogar gesetzlich vorgeschrieben, soll jeder Gefangene ein Brot bekommen. Zur Wahl stehen Weiß- und Schwarzbrot. „Deutsche mögen lieber Schwarzbrot, Gefangene aus dem Ausland eher Weißbrot“, zeigt die Erfahrung von Robert Wieczorek.
Das „Hausbrot bemehlt" ist mit Gold ausgezeichnet.
Er ist der Chef des Betriebs und arbeitet bereits seit 2015 in der JVA.
Warum? „Der Arbeitszeiten wegen. Das Sozialleben ist einfacher“, sagt er. Hier fängt er um 5 Uhr morgens an, statt wie draußen um 1 in der Nacht. „Das Stresslevel ist auch ein anderes, muss man ehrlich zugeben“, meint der Bäckermeister, „die Kunden wollen immer mehr.“ „Hier drinnen gibt es zwar manchmal Meinungsverschiedenheiten, aber Schlimmeres habe ich noch nicht erlebt.“
„Auf seinen Laden ist Wieczorek stolz: „Technisch sind wir eine der modernsten Bäckereien in ganz Bayern“, schwärmt er. Es gibt digital steuerbare Öfen, damit die Gefangenen nichts sabotieren können, die Zutaten werden genau angezeigt und abgewogen, dass man an der Rezeptur nichts ändern kann. „Wir kontrollieren täglich, damit nichts passiert, aber alles verhindern kann man nie", sagt Stefan Lermer, Chef aller Handwerksmeister und zuständig für die Arbeitseinteilung, auf die Frage, ob man die berühmt-berüchtigte Feile oder eine Geheimbotschaft ins Brot einbacken könnte wie einst Romy Schneider im Film „Die Deutschmeister“.
Stolz ist der Bäckereichef auch auf die vielen Auszeichnungen, die über der Backstube eingerahmt hängen: „Jedes Jahr machen wir bei der Brotprüfung mit“, erklärt Wieczorek. Das „Hausbrot bemehlt“, ein Roggenmischbrot, das mit Sauerteig produziert wird, ohne Chemie oder Backtriebmittel, hat schon fünfmal die Goldmedaille erhalten. Es gebe Gefangene, die sich in Briefen ans Ministerium beschweren, wie schlecht sie in der Haft versorgt werden, wie schlecht das Essen sei.
" Wenn ich Plunder backe, fippen alle aus"
„Da ist es gut für uns, vorzeigen zu können, dass wir ausgezeichnete Ware haben", freut sich Wieczorek. Besagtes Brot zu backen, lernt auch der Auszubildende Christoph. Der 38-Jährige sagt, er hatte bislang keine Ausbildung. Daher nutzt er jetzt die Chance. „Ich möchte auch draußen als Bäcker weitermachen. Es macht alles daran Spaß", sagt er lachend. „Als ich hier angefangen habe, konnte ich gar nichts. Jetzt kann ich Baguettes backen oder Plunder, das kann ich auch privat im Haus machen, da flippen alle aus, grinst er. Im Juli hat er Gesellenprüfung und paukt schon fleißig dafür, sowohl privat, wie er es nennt, also auf Zelle, als auch nachmittags in der JVA-Bäckerei. „Ich bin immer am Ball", sagt er.
Neben Brot und Semmeln für 1000 Gefangene in Straubing, Regensburg und Passau fertigt die JVA-Bäckerei auch Kuchen für die nahe gelegene Justizvollzugsakademie oder nimmt ab und an Bestellungen von außen an. So werden hier um die 1200 Kuchenstücke für den Lions-Trödelmarkt gebacken. An Fasching gibt es Krapfen, die die Bediensteten kaufen können, an Ostern Osterbrot und zu Weihnachten bekommt jeder Häftling einen Stollen.
Mit Johannes Laumer gibt es derzeit einen Vollzugsbeamten mit Schwerpunkt Werkdienst in Ausbildung. „Draußen ist es so schwierig, zu arbeiten. Ein geregeltes Leben hat man da nicht, auch die Absicherung vom Staat spielt natürlich eine Rolle", begründet der Bäckermeister seine Entscheidung, hinter Gittern arbeiten zu wollen.
Für Feiertage und Wochenenden wird vorproduziert, der Arbeitstag endet um 13 Uhr. Während Wieczorek und Laumer dann ihrer Wege in Freiheit gehen, gehen Christoph und seine Mithäftlinge hinter Gittern in Bastelgruppen, machen Sport oder lernen. Bis sie am nächsten Morgen kurz vor fünf wieder ein Beamter abholt, um sie in die Bäckerei zu bringen.
Der "Arbeitsmarkt" in der JVA Straubing

Das Zunftzeichen der Bäckerei begrüßt über dem Eingang. Foto: Ruth Schormann
Von 744 Gefangenen arbeiten derzeit 497, erklären Stefan Lermer, Chef der Handwerksmeister in der JVA, und Wolfram Gade, Leiter der Arbeitsverwaltung. „Auch wir spüren den Fachkräftemangel“, sagt Gade. Man könne in der JVA schließlich nicht wie draußen einfach eine Stellenanzeige schalten. „Die Qualität an Arbeitsfähigkeit hat generell nachgelassen“, meint auch Anstaltsleiter Marcus Hegele. Sprachbarrieren spielen eine Rolle, aber auch Drogenschäden oder schlicht „Unbegabtheit“.
Wenn am Mittwoch Schubtag ist, sprich, neue Gefangene kommen, verwandle sich die Konferenz am Tag drauf oft in eine Art Arbeitsbörse. Die Betriebe wollen natürlich passende, ausgebildete Mitarbeiter.
Es gilt Arbeitspflicht, man muss den angebotenen Job annehmen, wenn er passend ist. Wünsche werden, so gut es geht, berücksichtigt, erklären die Verantwortlichen. Die Sicherheit spielt eine große Rolle, jeder wird entsprechend eingestuft. Arbeitet ein Häftling in der Gebäudetechnik, kann er sich frei bewegen, es gibt aber auch geschlossene Betriebe, in denen es weniger locker zugeht.
Quelle: Ruth Schormann/Mediengruppe Attenkofer
Der Lohn: Vergütung - und Struktur
Wolfram Gade, Leiter der Arbeitsverwaltung, sagt: „Diese Pflichtarbeit im öffentlich-rechtlichen Sinn ist nicht mit der Arbeit draußen vergleichbar.“ Marcus Hegele betont, die Arbeit sei „ein Eckpfeiler der Resozialisierung“. Sie bringt Struktur in den Alltag, die viele vorher nicht hatten, und das ist eine der maßgeblichen Aufgaben des Justizvollzuges. „Vom Lohn, der pro Stunde zwischen 1,38 und 2,29 Euro liegt, seien drei Siebtel Hausgeld, womit die Gefangenen innerhalb der Anstalt einkaufen können, und vier Siebtel wandern in das Überbrückungsgeld und, wenn das beisammen ist, ins Eigengeld.“ Die Inhaftierten bekommen im Haus Essen, Unterkunft, medizinische Versorgung, Strom etc., meint Stefan Lermer. Die Ausgabenseite ist also weitaus geringer als draußen. Dennoch hatte ein Straubinger Insasse geklagt und das Bundesverfassungsgericht gab ihm recht. Nun soll der Lohn steigen. Ein Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung sieht vor, die Vergütung um zwei Drittel anzuheben. -rus-